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© wiebke logemann
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28.04.2010  
Bild Nummer 100
Technik: Tusche, Grafit auf Papier
Originalgröße: 21 x 29 cm
Preis: 50 Euro einschl. Versand
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Textvorschlag von Ulf Michaelis:

Cefalu

»als als sie die stadt der sarazenen war tauchten wäscherinnen
die kleider in süßwasserbecken am meer · wellen rannen
in die kanäle über schwemmten die seife
schäumend aus und flossen wieder ab · über dem gehäufe
der häuser ragte ein felsen aus muschelkalk auf
in form eines kopfes: und in seinem relief
lag das reinste weiß · sonst setzte man blei der lohe aus
und erhielt so beinah den glanz von wasserkies
verdigris war aus griechenland und gleich wie grünspan
salz das man aus kupfernem gewann · für die moscheen
kam türkis aus nishapur und spiegelte das grün
wider am meer und von jenseits dessen auch ultramarin
zermahlener lapislazuli aus dem hindukush
der über dem feuer zu weißem glas erlosch
zerraspelt wurde aus den ästen des indischen waid indigo
die wäscherinnen aber sagten an-nil dazu
weil das pulver so blau war wie der fluß den sie
nie gesehen hatten und zur tinktur aus smyrna al-azarah
saft aus den wurzeln der färberröte · nichts aber
war teurer als das sekret von wellhornschnecken: purpur
der am roten meer noch zu gestein erstarrte · rehj al-ghar
dagegen war erzstaub und kam in höhlen vor
erhitzt verdampfte er nur · auf den wellen und ihrem licht
jedoch zerfiel sein rauschrot nacht für nacht
zu dem feinkörnigen goldfarbenen pigment
der sonne und den serifen mit denen jede sure hier beginnt
die see bis weit hinaus ein zerlesener foliant
dessen seiten die klippen bleichen · ein kaltes aufbrennen
im kalk um dem morgen wieder sein weiß abzugewinnen
als sie die stadt der sarazenen war wrangen wäscherinnen
die kleider auf steinernen waschbrettern aus · aufspannen
gingen sie die wäsche dann oben in den gärten
ein bild des sommers · halbschatten die in der hitze flirrten
worte die in der nachmittagsstille weit trugen
und niemand je um sie in schrift zu übertragen
eine sprache deren fließende buchstaben ich nur benütze –
die geschwungenen unterlängen die ich wie küsten setze
häfen als punkte darüber – um dir zu schreiben:
wie andere die vielleicht keine briefe schrieben
aber von einer reise farben in kleinen beuteln mitbrachten
weil sie es nicht besser zu sagen vermochten
als das dunkle farbpulver auf ein leeres blatt zu schütten
den blick der zugewandt die sie zu ihrer geliebten hatten...«

(aus »Weissbuch« von Raoul Schrott)